Forsch!-Podcast: „Wir brauchen einen Nutri-Score für den Datenschutz.”

Forsch!-Podcast: „Wir brauchen einen Nutri-Score für den Datenschutz.”

Forsch!-Podcast: „Wir brauchen einen Nutri-Score für den Datenschutz.”

In der fünften Folge von „Forsch!“- Wissenschaft im Interview sprechen BZ-Reporter Andreas Eberhard und Dr. des Jeremias Othman (ForschungRegion Braunschweig) mit der Informatikerin Prof. Dr. Ina Schiering von der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel. Die Spezialistin für IT-Sicherheit beschreibt, was Datenschutz ist, warum dieser immer wichtiger wird und gibt Tipps, wie wir mit Daten praxistauglich und verantwortungsvoll umgehen können. 

Informatikerin Prof. Dr. Ina Schiering (Ostfalia). Foto: dpa.

Datenschutz – ein abstrakter Begriff?

„Aus meiner Sicht ist Datenschutz Grundrechtschutz.“ Auf den häufig als abstrakt wahrgenommenen Begriff Datenschutz angesprochen, schildert Ina Schiering, dass Datenschutz erst einmal der Schutz der Privatsphäre ist, in einer Welt, die sich in der digitalen Transformation befindet und sich damit weite Teile unseres Lebens in digitalen Daten manifestieren. Datenschutz heißt dann Grenzen zu setzen, um zu verhindern, dass durch sogenannte Stakeholder (Anm.: Das können Firmen, Konzerne oder Regierungen sein) beliebig Rückschlüsse auf unsere Lebensumstände, Einstellungen usw. gezogen werden können. So verstanden wird Datenschutz unter anderem relevant bei der Gewerkschaftsarbeit, bei vertraulichen Gesprächen im Arbeitsumfeld oder im Krankheitsfall. Datenschutz richtet den Blick dabei auf ein Individuum. IT-Sicherheit dagegen soll auf Unternehmensseite gewährleisten, dass Daten nicht unberechtigt von Dritten abgegriffen werden.

Ziele im Datenschutz

Zu diesem Zweck wurden bestimmte Leitziele formuliert. An erster Stelle steht dabei die Datensparsamkeit, also der Umstand, dass nur Daten erhoben werden, die für einen bestimmten Zweck auch wirklich nötig sind. Vor der Installation einer App auf dem Smartphone kann man sich z.B. fragen, ob die angezeigten Berechtigungen, über die Daten erhoben werden, immer notwendig sind. Im Zweifel kann man sich für einen anderen Hersteller entscheiden. Datensparsamkeit heißt auch, dass nicht mehr benötigte Daten gelöscht werden. In der Pandemiephase muss das etwa nach Ablauf einer bestimmten Frist bei Auskünften über Restaurantbesuche geschehen. Erhobene Daten wie etwa Adresse oder Telefonnummer verbleiben so nicht auf unbestimmte Zeit. Das wiederum erhöht auch die Vertraulichkeit.

Das Ziel der Integrität bzw. der Korrektheit – auf das Ina Schiering anschließend eingeht –, lässt sich am Beispiel der digitalen Patient*innenakte erklären: Für behandelndes Personal im Klinik- oder Pflegebereich sind korrekte Daten von hoher Relevanz. Nur wenn Verfügbarkeit gegeben ist – ein weiteres Ziel im Datenschutz – kann z.B. im medizinischen Notfall entschieden werden, welche Medikamente benötigt werden. Das medizinische Personal kann wiederum nachweisen, dass bestimmte Tätigkeiten in der Pflege durchgeführt wurden. Darüber hinaus soll die Nicht-Verkettbarkeit gewährleisten, dass zum Beispiel Krankenkassen nicht auf die Vital- oder GPS-Daten von Fitness-Trackern zugreifen können.

Neben diesen Grundsätzen gibt es übergeordnete, inhärente Ziele, die die Persönlichkeitsrechte betreffen: Transparenz und Intervenierbarkeit. Einerseits muss für jede betroffene Person ersichtlich sein, wie Daten verarbeitet werden – hier greift das Auskunftsrecht – und andererseits die Möglichkeit bestehen, an ein Unternehmen heranzutreten, um die Löschung bestimmter Daten zu veranlassen. Möglich macht das die Datenschutzgrundverordnung oder kurz: die DSGVO.

Die DSGVO als Meilenstein und Exportschlager

„Die Datenschutzgrundverordnung, die seit 2018 in Kraft ist, ist ein riesiger Schritt nach vorne,“ hält Ina Schiering fest und führt weiter aus, dass sie rechtlich die digitalen Dienste regelt, die uns alltäglich begleiten und somit unsere Grundrechte sichert. Die Forscherin räumt allerdings auch ein, dass auch die Notwendigkeit besteht, einzelne Teile gerichtlich nachzubessern, da es ein vergleichsweise neues Gesetz ist. Als Exportschlager hat es die DSGVO bereit bis nach Kalifornien geschafft und etabliert auch dort das Recht auf Auskunft, das Recht auf Berichtigung und das Recht auf Löschung von nicht mehr benötigten Daten.

Ein Beispiel aus der Praxis

Wie kann nun guter Datenschutz gelingen? Wenn man technische Anwendung, also Apps, entwickelt, rät Ina Schiering, den Datenschutz bereits mitzudenken. Aus ihrer Forschung berichtet sie von der App „Reha-Goal“, die es Menschen etwa nach einem Schlaganfall ermöglicht, Abfolgen bestimmter Tätigkeiten festzulegen und sich an der App zu orientieren. So kann das Einkaufen oder die Busfahrt wieder gelingen. Die App kommt vollständig ohne die Speicherung personenbezogener Daten aus. Dieses Prinzip lautet „Privacy-by-Design“; der Datenschutz ist in der Entwicklung bereits mitgedacht.

Wie geht es weiter?

Datenschutz wird auf vielen Ebenen verhandelt. In der politischen Landschaft sieht Ina Schiering einen Trend, ähnlich dem auf Virolog*innen in der Pandemie zu hören, auch im Datenschutz mehr und mehr Expert*innen in politische Entscheidungsfindung einzubinden. Dieser Trend sollte bestärkt werden und digitale Kompetenz neben der Politik auch im alltäglichen Leben und der Bevölkerung weiter aufgebaut werden. Was das für den normalen Nutzer oder die normale Nutzerin bedeuten kann? „Wie für Lebensmittel brauchen wir auch für Apps einen Nutriscore, der es Anwender*innen ermöglicht, schnell und einfach zu entscheiden, welche Apps sicheren Datenschutz versprechen und bei welchen man genauer hinsehen sollte.“

Der Podcast “Forsch! – Wissenschaft im Interview” ist eine Kooperation der ForschungRegion Braunschweig mit der Braunschweiger Zeitung. Die Moderatoren Jeremias Othman (ForschungRegion Braunschweig) und Andreas Eberhard (Braunschweiger Zeitung) sprechen mit Akteur*innen der Region über ihre Forschung, ihre Person – und über aktuelle gesellschaftliche, politische und ethische Fragen und Debatten.

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